Der neue Glossenhauer
Identität ist ja gerade sehr vogue. Ist in. Ist fresh. Aber auch hot. Und obendrein der Dernier Cri. Welcher wiederum nicht zu verwechseln ist mit Grand Cru. Aber das führt zu weit. Kurz gesagt, es ist gerade sehr wichtig zu wissen, wer man ist.
Identitätspolitik ist für das Anfang des 21. Jahrhunderts das, was die Frage nach der konfessionellen Zugehörigkeit Anfang des 17. Jahrhunderts war. Im 17. Jahrhundert führte das übrigens zu einem Großevent, das wir heute „der 30jährige Krieg“ nennen. In russischen Geschichtsbüchern wahrscheinlich „30jährige Spezialoperation“.
Egal, soweit sind wir noch nicht. Dafür knietief in der Identitätsdebatte. In Österreich machen schon ganze Parteien dabei mit.
Der Bundeskanzler etwa unterstreicht in einem Video den Anspruch seiner Partei die - Achtung, Eigendefinition der ÖVP - „Hure der Reichen“ zu sein, in dem er einen Hamburger als eine warme Mahlzeit für Kinder armer Eltern anpreist. Der Begriff „Kanzlermenu“ wird es wohl ins österreichische Wörterbuch schaffen.
Die Sozialdemokratische Partei dagegen besitzt in Wien dagegen einen Bezirksvorsteher, der Insidergeschäfte mit Schrebergärten betreibt. Das klingt schon selbst wie ein Witz, ist aber eine treffende Metapher für den allgemeinen Zustand der Partei. Vor kurzem hat der selbe Mann die Grünen noch als „Heisln“ bezeichnet, heute haben ihn seine eigenen Heisln im Grünen eingeholt. Frei nach dem politischen Credo: „Mögen Ruhm und Amt auch vergehen/ der Baugrund bleibt bestehen!“
Die deutlichste Visitenkarte aber gibt die FPÖ ab. Die kennt sich ja auch mit Identitären besonders gut aus. Deshalb waren zuerst ein paar ehemalige FPÖ-Funktiönäre bei den Taliban in Afghanistan und danach hat die Partei gleich gezeigt, was man dort gelernt hat: Den Umgang mit der Presse. Denn nur wenige Tage nach der Reise wurde der ORF-Satiriker und Reporter Peter Klien von FPÖ-Securitys tätlich angegriffen. Und warum? Weil er den Mann, der „Volkskanzler“ werden will, eine Frage stellen wollte.
Beruhigend.
Die Partei steht in Umfragen übrigens bei über 30 Prozent und damit am ersten Platz.
Identitätspolitisch geht das im angrenzenden Bayern in etwa so weiter. Nur da haben sich die Dreissig Prozent auf zwei Parteien aufgespalten.
Die „Ahnungslosen für Demagogen“ (AfD) und die „Freien Wähler“. Letztere haben einen Spitzenkandidaten, der der herrschenden Unzufriedenheit nicht nur eine Stimme gibt, sondern auch ein Gesicht. Hubert Aiwanger sieht einfach so aus, als hätte er an nichts Spaß. Und das schon seit längerem. Bei mir daham nennt man das eine „Zwiderwurzn“. Und der Mann hat nicht nur Stimme und Gesicht, sondern auch noch ein Flugblatt. Oder sein Bruder.
Das Flugblatt ist zwar schon etwas älter, hat aber Super-Jokes. So Witze über Konzentrationslager und Menschenvernichtung. Einfach Brüller. Da sieht, daß in der Familie Aiwanger schon vor über dreissig Jahren einen Humor gab,…Wahnsinn! Also so einen Humor haben gab es erst wieder 2018 in Chat-Gruppen der Frankfurter Polizei.
Es schon schön, daß man 100 Jahre nach dem gescheiterten Hitler-Putsch in Bayern endlich wieder mit Antisemitismus Politik machen kann, ohne dass man sich schämen muss. Also man sollte sich schämen, ja, aber… man muss nicht.
Nein, der Hubert, der schwitzt so einen Ausschwitz-Witz einfach aus… der wird quasi ausgeschwitzt….nein… ausgesitzt…äh…. ausgesessen, so heißt das.
Und das ist natürlich auch ein direkter Zugang zur Identität: „Zeig mir, worüber Du lachst und ich sag Dir, wer Du bist.“ Denn Humor ist ja - laut Freud - ein Fenster zum Unbewussten. Mein Unbewusstes etwa findet Bettwanzen lustig. Genauer gesagt: Bettwanzen in Paris. Alle finden die eklig und widerlich, Apokalyptiker fragen schon: „Schlägt die Natur zurück?“ und selbst die größten Fans des Verzehrs von Insekten fragen nach dem Kammerjäger und nicht nach Rezepten.
Es könnte sich aber bei der Bettwanze auch um ein Kommunikationsangebot der Natur handeln. Die Natur bietet in Paris (wo sonst?) dem Homo sapiens einen Spiegel an (Natürlich einen Spiegel! Es war ja gerade das „Fashion-Week“ genannte Schneider-Treffen). Vielleicht will die Natur einfach sagen: „He! Menschheit! Schau mal! So siehst Du für alle anderen Spezies auf diesem Planeten aus: Wie eine lästige Wanze, die sich ungefragt ausbreitet und einem den Schlaf raubt.“
Das wäre natürlich ein starkes Stück. Da müsste man natürlich sagen:
„Bitte was? Wir sind Wanzen? Bißchen plump, Natur, oder? Billige Metapher, Natur! Aber sowas von! Ist richtig unter Deinem Niveau! Natur, da mußt Du Dich schon mehr anstrengen. Mal Dinge gegen den Strich ändern, die Hörgewohnheiten bürsten! Dich auf etwas auflassen. Irgendetwas einbrechen. Du mußt interfragen und alles ganz anders hinterpretieren! Verstehst Du, Natur? Nur ein paar Wanzen… das reicht nicht. So wirst Du nicht zum nächsten Theatertreffen eingeladen. Und das Feuilleton wird Dir keine Seite geben mit sowas. Und mit dem Literaturnobelpreis sieht es auch ganz ganz ganz finster aus, Natur. Den kriegt jetzt dafür ein runder Norweger, der aussieht wie eine Kreuzung aus einem Hobbit, dem unehelichen Bruder von Anthony Hopkins und Käptn Iglo. Hast Du Dir selbst zu zuschreiben.
Was? Schwache Metapher? Ja, da redet die Richtige, Natur. Aber immer noch besser als Deine, Natur! Uns mit Wanzen zu vergleichen… ist soooo daneben. Mega überhaupt nicht hip. Über out. Wahrscheinlich sogar cringe!“
Sowas müsste man sagen. Einerseits.
Andererseits könnte der Vergleich auch zutreffend sein.
Tja. Das ist ja das Blöde an der Identitätssuche:
Zuerst fragt man sich dauernd: „Wer bin ich?“
Und wenn man dann endlich eine Antwort erhält, sagt man sich nicht selten:
„So genau wollte ich es eigentlich gar nicht wissen.“
Identitäterätität!
9. Oktober 2023Identität ist ja gerade sehr vogue. Ist in. Ist fresh. Aber auch hot. Und obendrein der Dernier Cri. Welcher wiederum nicht zu verwechseln ist mit Grand Cru. Aber das führt zu weit. Kurz gesagt, es ist gerade sehr wichtig zu wissen, wer man ist.
Identitätspolitik ist für das Anfang des 21. Jahrhunderts das, was die Frage nach der konfessionellen Zugehörigkeit Anfang des 17. Jahrhunderts war. Im 17. Jahrhundert führte das übrigens zu einem Großevent, das wir heute „der 30jährige Krieg“ nennen. In russischen Geschichtsbüchern wahrscheinlich „30jährige Spezialoperation“.
Egal, soweit sind wir noch nicht. Dafür knietief in der Identitätsdebatte. In Österreich machen schon ganze Parteien dabei mit.
Der Bundeskanzler etwa unterstreicht in einem Video den Anspruch seiner Partei die - Achtung, Eigendefinition der ÖVP - „Hure der Reichen“ zu sein, in dem er einen Hamburger als eine warme Mahlzeit für Kinder armer Eltern anpreist. Der Begriff „Kanzlermenu“ wird es wohl ins österreichische Wörterbuch schaffen.
Die Sozialdemokratische Partei dagegen besitzt in Wien dagegen einen Bezirksvorsteher, der Insidergeschäfte mit Schrebergärten betreibt. Das klingt schon selbst wie ein Witz, ist aber eine treffende Metapher für den allgemeinen Zustand der Partei. Vor kurzem hat der selbe Mann die Grünen noch als „Heisln“ bezeichnet, heute haben ihn seine eigenen Heisln im Grünen eingeholt. Frei nach dem politischen Credo: „Mögen Ruhm und Amt auch vergehen/ der Baugrund bleibt bestehen!“
Die deutlichste Visitenkarte aber gibt die FPÖ ab. Die kennt sich ja auch mit Identitären besonders gut aus. Deshalb waren zuerst ein paar ehemalige FPÖ-Funktiönäre bei den Taliban in Afghanistan und danach hat die Partei gleich gezeigt, was man dort gelernt hat: Den Umgang mit der Presse. Denn nur wenige Tage nach der Reise wurde der ORF-Satiriker und Reporter Peter Klien von FPÖ-Securitys tätlich angegriffen. Und warum? Weil er den Mann, der „Volkskanzler“ werden will, eine Frage stellen wollte.
Beruhigend.
Die Partei steht in Umfragen übrigens bei über 30 Prozent und damit am ersten Platz.
Identitätspolitisch geht das im angrenzenden Bayern in etwa so weiter. Nur da haben sich die Dreissig Prozent auf zwei Parteien aufgespalten.
Die „Ahnungslosen für Demagogen“ (AfD) und die „Freien Wähler“. Letztere haben einen Spitzenkandidaten, der der herrschenden Unzufriedenheit nicht nur eine Stimme gibt, sondern auch ein Gesicht. Hubert Aiwanger sieht einfach so aus, als hätte er an nichts Spaß. Und das schon seit längerem. Bei mir daham nennt man das eine „Zwiderwurzn“. Und der Mann hat nicht nur Stimme und Gesicht, sondern auch noch ein Flugblatt. Oder sein Bruder.
Das Flugblatt ist zwar schon etwas älter, hat aber Super-Jokes. So Witze über Konzentrationslager und Menschenvernichtung. Einfach Brüller. Da sieht, daß in der Familie Aiwanger schon vor über dreissig Jahren einen Humor gab,…Wahnsinn! Also so einen Humor haben gab es erst wieder 2018 in Chat-Gruppen der Frankfurter Polizei.
Es schon schön, daß man 100 Jahre nach dem gescheiterten Hitler-Putsch in Bayern endlich wieder mit Antisemitismus Politik machen kann, ohne dass man sich schämen muss. Also man sollte sich schämen, ja, aber… man muss nicht.
Nein, der Hubert, der schwitzt so einen Ausschwitz-Witz einfach aus… der wird quasi ausgeschwitzt….nein… ausgesitzt…äh…. ausgesessen, so heißt das.
Und das ist natürlich auch ein direkter Zugang zur Identität: „Zeig mir, worüber Du lachst und ich sag Dir, wer Du bist.“ Denn Humor ist ja - laut Freud - ein Fenster zum Unbewussten. Mein Unbewusstes etwa findet Bettwanzen lustig. Genauer gesagt: Bettwanzen in Paris. Alle finden die eklig und widerlich, Apokalyptiker fragen schon: „Schlägt die Natur zurück?“ und selbst die größten Fans des Verzehrs von Insekten fragen nach dem Kammerjäger und nicht nach Rezepten.
Es könnte sich aber bei der Bettwanze auch um ein Kommunikationsangebot der Natur handeln. Die Natur bietet in Paris (wo sonst?) dem Homo sapiens einen Spiegel an (Natürlich einen Spiegel! Es war ja gerade das „Fashion-Week“ genannte Schneider-Treffen). Vielleicht will die Natur einfach sagen: „He! Menschheit! Schau mal! So siehst Du für alle anderen Spezies auf diesem Planeten aus: Wie eine lästige Wanze, die sich ungefragt ausbreitet und einem den Schlaf raubt.“
Das wäre natürlich ein starkes Stück. Da müsste man natürlich sagen:
„Bitte was? Wir sind Wanzen? Bißchen plump, Natur, oder? Billige Metapher, Natur! Aber sowas von! Ist richtig unter Deinem Niveau! Natur, da mußt Du Dich schon mehr anstrengen. Mal Dinge gegen den Strich ändern, die Hörgewohnheiten bürsten! Dich auf etwas auflassen. Irgendetwas einbrechen. Du mußt interfragen und alles ganz anders hinterpretieren! Verstehst Du, Natur? Nur ein paar Wanzen… das reicht nicht. So wirst Du nicht zum nächsten Theatertreffen eingeladen. Und das Feuilleton wird Dir keine Seite geben mit sowas. Und mit dem Literaturnobelpreis sieht es auch ganz ganz ganz finster aus, Natur. Den kriegt jetzt dafür ein runder Norweger, der aussieht wie eine Kreuzung aus einem Hobbit, dem unehelichen Bruder von Anthony Hopkins und Käptn Iglo. Hast Du Dir selbst zu zuschreiben.
Was? Schwache Metapher? Ja, da redet die Richtige, Natur. Aber immer noch besser als Deine, Natur! Uns mit Wanzen zu vergleichen… ist soooo daneben. Mega überhaupt nicht hip. Über out. Wahrscheinlich sogar cringe!“
Sowas müsste man sagen. Einerseits.
Andererseits könnte der Vergleich auch zutreffend sein.
Tja. Das ist ja das Blöde an der Identitätssuche:
Zuerst fragt man sich dauernd: „Wer bin ich?“
Und wenn man dann endlich eine Antwort erhält, sagt man sich nicht selten:
„So genau wollte ich es eigentlich gar nicht wissen.“
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