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Groebners neuer Glossenhauer
Der neue Glossenhauer

An die Amerikaner!

11. März 2025

Was mich gerade nicht schlafen lässt, ist eine Frage von immenser Irrelevanz.
Nämlich: Was machen eigentlich gerade Antiamerikaner?

Wo die USA doch die antiamerikanischste amerikanische Regierung seit überhaupt haben. Donald Trump reisst die von Amerika geschaffene Sicherheitsarchitektur ein, hackt sie in Stücke und verfüttert sie an seinen Golf-Caddy.

Und was macht man jetzt als Antiamerikaner? Bleibt man Antiamerikaner? Da ist man doch auf einer Linie mit dem weißen Haus! Oder geht man mit der Zeit, lehnt die zukünftige Weltmacht ab und wandelt sich zum Antichinesen? Oder gar Antirussen?

Schließlich war ja die Voraussetzung für den Antiamerikanismus von links wie von rechts, dass die USA der Hegemon waren. Auch und gerade in West- und seit 1989 zunehmend auch in Rest-Europa. Anders gesagt: Für einen anständigen europäischen Antiamerikanismus braucht es einen Nuklearschirm der USA. Sonst weiß man doch gar nicht, wogegen man sein soll.

Das ist nicht bei allen Antis so.
Antisemitismus ohne Juden etwa ist kein Problem. Auch Antiausländereinstellungen gedeihen am Besten dort, wo eigentlich gar keine Ausländer wohnen. Beim Antiamerikanismus ist das anders. Der hat sich bis jetzt am Besten dort entwickelt, wo die US-Amerikaner ein paar Jahrzehnte vorher Faschisten bekämpft, die Demokratie (wieder) eingeführt und Meinungspluralismus ermöglicht hatten.
Kurz gesagt, alles das aufgebaut haben, was Donald „Caesar“ Trump, Elon „Marc Anton“ Musk und J.D. „Oktavian“ Vance gerade in den USA abbauen.

Man sitzt ja gerade da, erste Reihe fußfrei, und sieht mit offenem Mund zu, wie die US-Führung all das in die Tonne tritt, was am amerikanischen Bündnissystem freundlich und sympathisch war. Und ob vom amerikanischen Jahrhundert letztlich nur noch Jazz, Rock’n’Roll und Funk bleiben, ist auch fraglich, wenn man Donald Trump einmal tanzen gesehen hat.

Unter dem Label „Make America great again“ ist der Antiamerikanismus im weißen Haus angekommen. Das hätten sich weder die Altnazis der Burschenschaft Teutonia Ignorantia, noch die Splittergruppe TrotzdemTrotzky je träumen lassen, dass sie mal ausgerechnet von der US-Regierung in Sachen Anti-Amerikanismus überholt werden.

Was uns zur Ausgangsfrage zurückbringt: Was tun, wenn der Anti-Amerikanismus endgültig Mainstream geworden ist? Schreit man dann zusammen mit der Susi aus der 3B: „Scheißamis, einfach 80 Jahre Schutzmacht sein und dann gehen… das könnt ihr! Ich geh jetzt auch… von WhatsApp zu TikTok! Ha!“

Oder sucht man sich ein neues Fendbild… und wird zum Antiinder? Oder Antieuropäer?
Und zahlt sich letzteres noch aus?

Apropos Europa:
Interessant wird ja auch das Verhalten der Amerikaner selbst sein.
Die fahren ja gerne nach Europa. Wenn jung: schön und mit Rucksack, wenn älter: mit Bauch und Familie, wenn alt: mit Rollkoffer und Diagnose.
Und dann gehen sie durch Wien „Wo war Harry Lime?“, Berlin „Wo war Hitler?“, Friedberg „Wo war Elvis?“ oder Aussenbezirke dieser Metropolen wie Rom, Paris, Avignon, Brügge, Kopenhagen, Bologna, Barcelona oder Lissabon, betrachten die Architektur und sind sehr ehrfürchtig gegenüber jedem Stein, der älter als 400 Jahre ist. Und wünschen sich das Unmögliche: Nicht als Amerikaner erkannt zu werden.

Angeblich trainieren Menschen aus den USA bereits australischen, kanadischen oder neuseeländischen Dialekt, nur um die Frage zu vermeiden: „Did you vote for Trump?“

Als Österreicher weiß ich, wie sich das anfühlt.
1986 im Jahr der Waldheim-Affäre war ich zum ersten Mal mit dem Interrail-Ticket durch Europa unterwegs. Nach drei Tagen hab ich überlegt, ob ich mich zukünftig nur mehr als Luxemburger ausgeben soll.

Im Jahr 2000 hatte ich dann einen „Ich habe nicht für Haider gewählt“-Aufkleber auf meinem Koffer.  Und 2017… war das alles kein Thema mehr. Man hatte sich daran gewöhnt und der Sebastian war ja auch sehr fesch.
Und dieses Jahr, 2025, hat dann statt dem Herbert der Donald den Amtseid geleistet und das auch nicht beim Bundespräsidenten in der Hofburg, sondern in jenem Haus, das Donalds Anhänger vier Jahre vorher noch gestürmt hatten.

Was aber sollen wir mit den amerikanischen Touristen jetzt tun?
Beschimpfen? Sie in politische Diskussionen verwickeln? Beknien, dass sie Ihre Raketen und ihre Geheimdienstinformationen weiter mit uns teilen?
Nein.

Einfach freundlich sein.
Einladen sollten wir die Amis. Mit der selben durchschaubaren, unpersönlichen, professionellen Freundlichkeit, die wir von Ihnen gelernt haben, die Arme ausbreiten und sagen: „Kommt zu uns. Ja… fühlt Euch wie zuhause!“ Alle Europäer sollten ihre Kontakte spielen lassen und ihre Freunde aus den USA nach Europa einladen. Sollen Sie nur kommen. Wir müssen nur dann dafür sorgen, dass sie nicht mehr abfahren.
Also: Ticket wegwerfen, Handy verstecken, Pass abnehmen, den Keller zeigen.

Gut, das klingt jetzt vielleicht ein bißchen nach Geiselnahme, ist aber nichts anderes als gelebte, abendländische Tradition. Einfach an der Weiterreise hindern.
Wir in Österreich haben das schon vor hunderten von Jahren mit einem englischen König gemacht. Und haben ihm dann Dürnstein gezeigt. Und Dürnstein - das sieht man an der Geschichte - kann man sich mehrere Monate ansehen.

Im Prinzip machen wir das in Österreich aber noch heute noch so. Und bis heute Dürnstein ist bis heute ein Tourismus-Hotspot. Man kann also Richard Löwenherzs Aufenthalt als Anfang des österreichischen Tourismus betrachten.

Danach kam Richard Löwenherz übrigens auf eine Burg in die Pfalz. Da ist es ja auch schön.
Also Amerikaner einladen, hier halten und in der europäischen Verwandtschaft herum reichen.

Und dann schauen, ob der Donald wirklich ernst macht mit Zöllen und Truppenabzug und dem ganzen Zeug, wenn die eigenen Landsleute in europäischen Gartenhütten, Hobbyräumen und Weinkellern festsitzen und darauf warten, dass das weiße Haus für sie eine „Deal“ macht.

Wenn das nämlich nicht geschehe, wäre es wirklich… ja: antiamerikanisch.
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