Severin Groebners Newsletter
Bild Groebner mit Bleistift im Mund
Der neue Glossenhauer

Was kommt und was dabei rauskommt.
24. September 2023

Ja, ich weiß: Es ist schon Sonntag. Eigentlich war Samstag ausgemacht.
Aber es gibt einen guten Grund für diese Verzögerung.
Und der ist nicht, daß ich einfach in diesem Newsletter den Running-Gag pflege, jedesmal mit einer noch billigeren Ausrede zu beginnen, warum dieser Newsletter ausnahmsweise schon wieder später als angekündigt eintrifft. Das wär mir wirklich zu blöd.

Ehrlich!

(Nächstes Mal ist der Grund übrigen eine überraschende Magen-Darm-Erkrankung. Ein Klassiker!)

Nein, es ist so: Eigentlich wollte ich diesen Newsletter gar nicht schreiben.

Aus Solidarität.

Solidarität mit den Kolleginnen und Kollegen der schreibenden Zunft in den Staaten. Den Vereinigten. Von Amerika. Dort verklagen nämlich gerade Schriftsteller den Hersteller der vielbesungenen KI „ChatGBT“ wegen Urheberrechtsverletzungen. Schließlich würde die KI nur so „schreiben“ können, wie sie schreibt, weil sie auf eine immense Anzahl von Texten im Netz zugreifen kann, die andere - nämlich die Schriftsteller - mit Herzblut und Gehirnschmalz im Schweiße ihres Angesichts, ganz allein, nur von einer Kaffeetasse bewacht, in der in einer erkalteten Flüssigkeit eine tote Fliege schwimmt, abgeschieden im in einer euphemistisch „Arbeitszimmer“ getauften Einzelzelle, umgeben von Weltekel, Depressionen, Soziophobien und jeder Menge Bücher anderer Schriftsteller, angespornt einzig und allein von einer unstillbaren „Profilneurose“ genannten Eitelkeit und dem unbändigen Wunsch, einem unter Ausschluss der Öffentlichkeit erscheinenden Literaturmagazin ein Interview zu geben, erstellt haben.
(Gut, ich schließe hier auch ein bißchen von mir auf andere.)

Und diese verdammte KI nimmt jetzt diese Werke des menschlichen Geistes und macht daraus Buchstabenflächen und Kurzmeldungen für die T-Online-Startseite! Dabei hätten George R.R. Martin oder Jonathan Franzen auch gerne mal darüber geschrieben, wieviele Klicks die Only-Fans-Seite mit Nacktbildern von Reinhold Messner hat.

Aber natürlich haben die Damen und Herren Schriftsteller recht.
Doch das sind nicht die einzigen Konflikte zur Zeit.
Wirklich zur Sache geht es auch woanders.

Beim Wetter etwa.
Früher war das Wetter einfach da, man wußte nicht sicher, wie es morgen wird (außer der Oma hat das linke Bein weh getan, dann war klar, daß in den nächsten zwei Wochen es irgendwo im Umkreis von 500km regnen wird) und damit war man tendenziell unzufrieden.

Dann wurden die Massenmedien erfunden, zuerst Zeitung, dann Radio, dann Glotze und mit ihnen die Wettervorhersage. Da konnte man dann erfahren, wo genau es im Umkreis von 50km demnächst wahrscheinlich regnen dürfte und war deswegen schon viel früher tendenziell unzufrieden.

Dann wurde die Wetter-Moderation erfunden. Männer oder Frauen, deren herausstechendste Eigenschaft ihre absolute Harmlosigkeit war, turnten von Landkarten mit seltsamen Flecken und Linien darauf herum, erzählten etwas von Hochs und Tiefs, trugen Klamotten in gefährlichen Farben und konnten mit ziemlich wahrscheinlichen Fastgenauigkeiten sagen, wo es im Umkreis von 5km demnächst unter Umständen regnen könnte.

Dann kam die Werbung und man war tendenziell unzufrieden.
Heute allerdings werden diese Wettererklärer, Regenankünder und Prophetinnen des Sonnenscheins beschimpft.

Nicht wegen des Wetters (das hätte man ja schon früher machen können: „Wegen Deiner Prognose ist keiner zu meiner Grillparty gekommen, wenn ich Dich treffe, schmier ich Dir die scharfe Currysauce ins PIEEEEEEP!“), sondern wegen des Klimas.
Weil diese - meist gelernten - Meteorologen sich erdreisten ein Starkregenereignis, das etwa ein ganzes Tal oder eine komplette Stadt mit einer Schlammlawine bedeckt, nicht auf den Willen Gottes zurück führen, auch nicht auf das fehlende Wirken eines Heilsteins und sich erst recht nicht auf die Formel „mit dem richtigen Mindset wäre das nicht passiert“ einlassen, sondern ganz einfach auf die naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten verweisen, die in der herauf dräuenden Klimakrise wirksam werden.
Die Menschen beschimpfen also WettermoderatorInnen wegen: Physik.
Das macht einen - wie soll ich das sagen - doch tendenziell unzufrieden.

Angesichts der Weiterentwicklung und Ausbreitung von KI lässt das einen auch nicht gerade hoffen. Denn mit dieser natürlichen Dummheit wird die künstliche Intelligenz ein leichtes Spiel haben. Außer wir haben Glück und eine ganz natürliche Schlammlawine rast in das Server-Zentrum, in dem der artifizielle Gscheithappel sein Hauptquartier aufgeschlagen hat.

Vielleicht schreib ich mal eine Geschichte darüber.
Ganz alleine. So wie ein echter Schriftsteller.
Und dann macht die KI einen Artikel auf T-Online daraus.