Severin Groebners Newsletter
Bild Groebner mit Bleistift im Mund
Der neue Glossenhauer

Wo gehört man hin, wo kommt man her?

2. August 2023

Über vier Wochen ist es nun her, daß die „Wiener Zeitung“, in der diese Glosse regelmäßig erschienen ist, von der österreichischen Bundesregierung als Printprodukt mutwillig eingestellt worden ist. Und jetzt noch erreichen mich E-Mails von traurigen Lesern, die ihre Lieblingszeitung vermissen. Das verstehe ich.

Ich vermisse sie auch. Vor allem die menschliche Komponente, diese freundlich-besorgten Mails der Redaktion am frühen Freitag Nachmittag, die zart, aber mit Nachdruck darauf hinweisen, dass vor einer halben Stunde Abgabe gewesen wäre. Eigentlich vor zweieinhalb Stunden. Und jetzt (und zwar wirklich jetzt) wäre es l-a-n-g-s-a-m wirklich an der Zeit, dass der sehr geehrte Herr Kolumnist (damit war dann immer ich gemeint) einen Text schicken möge und zwar: Gschwind! Avanti! Gemmagemmagemma!
Nein, die letzten Begriffe waren nie in diesen Mails zu lesen. Und wenn, dann nur zwischen den Zeilen.

Und jetzt? Keine drängelnden Mails. Und dabei ist schon Mittwoch.
Der Kolumnist braucht Strutktur. Auf sich allein gestellt pflegt er ungesunde Geisteshaltungen: Den Prokastinationalismus etwa.
Der einzige Nationalismus, der niemals zu Gewaltausbrüchen, Aufmärschen oder Krieg führen wird, weil er sich stets denkt: Kann ich morgen auch noch machen.
Ganz anders national eingestellt sind dagegen jene Menschen, die vor kurzem in zahlreichen österreichischen Bundesländern Besuch von der Polizei bekommen haben. Vor allem in Kärnten haben die Behörden nämlich ein paar sogenannte „Staatsverweigerer“ hops gehen lassen. Die sind solche Nationalisten, dass sie finden, die besten Nationen sind jene, die sie sich selber ausdenken. Dann basteln sie sich Pässe, Autokennzeichen und überschütten die örtlichen Ämter (des tatsächlich existierenden Staates) mit Eingaben, Aufrufen, Beschwerden, Klagen und Einsprüchen. „Papierterrorismus“ nennt das der Polizist, den das Fernsehen dazu interviewt. Das klingt harmlos, ein wenig nach liebevollen Spinnern, die kleine Kügelchen aus Altpapier basteln und nachts dem Amt an die Scheiben werfen. Leider haben diese Leute nicht nur Papier zur Hand, sondern auch Waffen und Munition.  Und die fixe Idee, im „Bundesstaat Preussen“ zu leben.
Ja. Preussen. In Kärnten.
Da sieht man: diese Menschen sind nicht nur politisch, sondern auch geographisch sehr, sehr verwirrt. Preussen, das war mal ein polnisches Herzogtum an der Ostsee, das sich die Hohenzollern unter ihre vom Kartoffelanbau noch schmutzigen Fingernägel gerissen hatten. Den Preussen verdankt die Welt Militarismus, protestantischen Drill und das Ende der politischen Selbstständigkeit der freien Reichsstadt Frankfurt am Main.

Aber natürlich auch die wunderbare Freundschaft zwischen einem König (Fritz, zwo) und einem Satiriker und Dichter (Voltaire, der einzige). Und als der eine (der schlaue von den beiden) von dem preussischen Adelssproß gelangweilt war und nach Hause wollte, hat der kriegsgeile Berliner ihn einfach festnehmen lassen. So enden Freundschaften mit Preussen. Von der Küche wollen wir gar nicht erst anfangen.

Und so etwas wollen Kärntner und Kärntnerinnen werden? Ernsthaft? Da sieht man, was jahrzehnterlanger deutscher Tourismus mit einem Land machen kann.
Kärntnerinnen und Kärntner, hört mich an! Wer hat Euch denn in die Kaasnudeln g’schissen? In den Enzian gebrunzt? Schon mit der österreichischen Staatsbürgerschaft hat man vielleicht nicht das große Los gezogen, sondern eher den Marillenknödel unter den nationalen Zugehörigkeiten erwischt. Aber mei, Bröseln drüber, dann geht das schon.
Und wer das gar nicht aushält, liebe Kärntnerinnen und Kärntner, ihr habt doch geographisch so eine lässige Option: Werdet einfach Slowenen.
Das waren doch die allermeisten Eurer Vorfahren schon.