Der neue Glossenhauer
Ja, ich weiß. Schon wieder zu spät. Dieser Newsletter beginnt mich an meine Schulzeit zu erinnern, da war ich auch nie pünktlich. Und dieses Mal ist nicht einmal die Deutsche Bahn schuld. Denn ich war mit dem Fahrrad unterwegs.
Nein, schuld sind diesmal: die internationalen Geheimdienste.
Ich mußte nämlich erst überprüfen, ob mir kein feindlicher Agent über die Schulter schaut und Humor-Skills und Satire-Techniken absaugen will. Die haben ja alles, diese Diktaturen, aber Humor haben sie wirklich überhaupt nicht. Was andererseits an all diesen Geheimdienst-Skandalen so unglaublich langweilig und vorhersehbar ist, sind ja die Akteure.
Auf der einen Seite: Immer irgendwelche Bedienstete im Sicherheitsapparat des Zielstaates, wie frustrierte Offiziere in Militär oder Polizei, geldgierige Beamte des örtlichen Verfassungsschutzes oder Mitarbeiter von rechtsradikalen Parteien, die vorgeben die „Heimat schützen“ zu wollen. Nämlich mithilfe von Geheimdiensten totalitärer Staaten. Wahrscheinlich wollen sie damit das eigene Land schützen, nicht so grauslich demokratisch zu bleiben.
Und auf der anderen Seite: Die Profiteure.
Das sind immer die üblichen Verdächtigen. Die feschen Militär-, Unterdrückungs- und Gewaltregime von China bis Russland. Also Leute, für die die Erklärung der Menschenrechte so etwas wie Toilettenpapier ist, Rechte des Individuums Teufelszeug und Menschen-in-Lager-sperren ein schönes Hobby für den Feierabend.
Apropos Lager: Ja, auch die USA unterhält seit Jahrzehnten solche Foltergefängnisse. Aber - merke den Unterschied - erstens nicht auf ihrem Staatsgebiet, zweitens haben wir uns alle schon daran gewöhnt und drittens schämen sie sich dafür. Und die USA hört auch nur ein bißchen mit. Das kann man einem Staat, der mit seinen Raketenbasen dafür sorgt, dass die Russische Führung nicht Paris oder Berlin in Staub verwandelt als Gegenleistung schon zu billigen.
Nur natürlich nicht öffentlich.
Da sind die beiden anderen, China und Russland, schon andere Kaliber:
Die Russen erledigen bei gutem Wetter schon mal unliebsame Spaziergänger im Berliner Tiergarten und beharren auf das Recht europäische Grenzen mit Panzern zu ziehen. Die Chinesen wieder forschen von deutschen Reichen-Ghettos wie Bad Homburg und Düsseldorf Militärtechnik aus und betreiben europaweit geheime Polizeistationen. Also aufpassen beim nächsten Besuch im China-Restaurant! Besser gutes Trinkgeld dem Kellner geben, sonst landet man womöglich in der darunter gelegenen „Vorratskammer“ mit Dual-Use-Funktion.
Es bleibt die Frage: Warum können Zielpersonen und Auftraggeber nicht einmal ein bißchen abwechseln?
Warum interessieren sich nicht Geheimagenten aus Angola für die Geheimnisse der österreichischen Hotellerie? Wie wär’s, wenn nepalesische Nachrichtendienste den Schiffsbau in norddeutschen Werften mal unter die Lupe nehmen würden? Warum wollen nicht einmal Spione aus Bangladesh bei europäischen Baukonzernen herausfinden, wie man korrekt Gips-Karton-Platten einbaut? Es könnte doch zumindest eine Delegation aus Thailand, das ja gerne als „Land des Lächelns“ bezeichnet wird, nach Wien kommen, um hier in einer streng geheimen Fact-Finding-Mission im Straßenverkehr, die verborgenen, tieferen Bedeutungen der Worte „Sauschädel“, „Beidlpracker“ und „Schasaugata“ zu erfahren. Und - falls noch Fragen offen bleiben - diese Geheimwaffen der berühmten Wiener Gemütlichkeit auf dem Fussballplatz (für Feinschmecker: Hanappi-Stadion) näher studieren.
Es gäbe so viele Möglichkeiten, geheimen Wissenstransfer zu organisieren. Wie wäre es, wenn Südeuropäische Bäckerei-Innungen nachrichtendienstliche Unternehmungen ins Leben rufen, die herausfinden sollen, wie man Brot bäckt, das nicht nach zwei Tagen steinhart und trocken ist und bei der ersten Berührung zerbröselt, wie die Mumie eines Pharaos aus dem 2. Jahrtausend vor Beginn der Zeitrechnung.
Auch denkbar: amerikanische und deutsche Geheimagenten finden heraus, wie man sich im Ausland benimmt, ohne sofort unangenehm, laut und präpotent aufzufallen. Und wenn schon unbedingt Russen und Chinesen spionieren müssen, dann sollten sie doch mal vielleicht herausfinden, wie man ein Gemeinwesen demokratisch, wirtschaftlich prosperierend und einigermaßen fair organisiert. Dass sie dann nicht mehr in Österreich oder Deutschland spionieren, ist klar. Aber Norwegen und Island wären dann gute Zielländer.
Demzufolge hätte die deutsche und österreichische Spionage-Abwehr dann frei (gibt’s eigentlich eine österreichische Spionage-Abwehr? Ist zumindest der geheimste aller geheimen Dienste) und die Leute dort könnten sich auf neue Aufgaben konzentrieren: Die Aneignung des geheimen Wissens, wie man sich fortbewegen kann, ohne dabei in stinkenden Blechkisten sitzen zu müssen.
Eine Möglichkeit. Man kann natürlich auch warten, dass das Problem sich durch den Klimawandel von selbst löst. Denn wenn die Niederlande mal unter dem Meeresspiegel verschwunden sind, kommen die Niederländer von ganz allein.
Auf geheime, unbekannte Arten der Fortbewegung: Mit dem Fahrrad.
Aber: Pssst! Ist geheim!
PSSST! Nicht verraten!
24. April 2024Ja, ich weiß. Schon wieder zu spät. Dieser Newsletter beginnt mich an meine Schulzeit zu erinnern, da war ich auch nie pünktlich. Und dieses Mal ist nicht einmal die Deutsche Bahn schuld. Denn ich war mit dem Fahrrad unterwegs.
Nein, schuld sind diesmal: die internationalen Geheimdienste.
Ich mußte nämlich erst überprüfen, ob mir kein feindlicher Agent über die Schulter schaut und Humor-Skills und Satire-Techniken absaugen will. Die haben ja alles, diese Diktaturen, aber Humor haben sie wirklich überhaupt nicht. Was andererseits an all diesen Geheimdienst-Skandalen so unglaublich langweilig und vorhersehbar ist, sind ja die Akteure.
Auf der einen Seite: Immer irgendwelche Bedienstete im Sicherheitsapparat des Zielstaates, wie frustrierte Offiziere in Militär oder Polizei, geldgierige Beamte des örtlichen Verfassungsschutzes oder Mitarbeiter von rechtsradikalen Parteien, die vorgeben die „Heimat schützen“ zu wollen. Nämlich mithilfe von Geheimdiensten totalitärer Staaten. Wahrscheinlich wollen sie damit das eigene Land schützen, nicht so grauslich demokratisch zu bleiben.
Und auf der anderen Seite: Die Profiteure.
Das sind immer die üblichen Verdächtigen. Die feschen Militär-, Unterdrückungs- und Gewaltregime von China bis Russland. Also Leute, für die die Erklärung der Menschenrechte so etwas wie Toilettenpapier ist, Rechte des Individuums Teufelszeug und Menschen-in-Lager-sperren ein schönes Hobby für den Feierabend.
Apropos Lager: Ja, auch die USA unterhält seit Jahrzehnten solche Foltergefängnisse. Aber - merke den Unterschied - erstens nicht auf ihrem Staatsgebiet, zweitens haben wir uns alle schon daran gewöhnt und drittens schämen sie sich dafür. Und die USA hört auch nur ein bißchen mit. Das kann man einem Staat, der mit seinen Raketenbasen dafür sorgt, dass die Russische Führung nicht Paris oder Berlin in Staub verwandelt als Gegenleistung schon zu billigen.
Nur natürlich nicht öffentlich.
Da sind die beiden anderen, China und Russland, schon andere Kaliber:
Die Russen erledigen bei gutem Wetter schon mal unliebsame Spaziergänger im Berliner Tiergarten und beharren auf das Recht europäische Grenzen mit Panzern zu ziehen. Die Chinesen wieder forschen von deutschen Reichen-Ghettos wie Bad Homburg und Düsseldorf Militärtechnik aus und betreiben europaweit geheime Polizeistationen. Also aufpassen beim nächsten Besuch im China-Restaurant! Besser gutes Trinkgeld dem Kellner geben, sonst landet man womöglich in der darunter gelegenen „Vorratskammer“ mit Dual-Use-Funktion.
Es bleibt die Frage: Warum können Zielpersonen und Auftraggeber nicht einmal ein bißchen abwechseln?
Warum interessieren sich nicht Geheimagenten aus Angola für die Geheimnisse der österreichischen Hotellerie? Wie wär’s, wenn nepalesische Nachrichtendienste den Schiffsbau in norddeutschen Werften mal unter die Lupe nehmen würden? Warum wollen nicht einmal Spione aus Bangladesh bei europäischen Baukonzernen herausfinden, wie man korrekt Gips-Karton-Platten einbaut? Es könnte doch zumindest eine Delegation aus Thailand, das ja gerne als „Land des Lächelns“ bezeichnet wird, nach Wien kommen, um hier in einer streng geheimen Fact-Finding-Mission im Straßenverkehr, die verborgenen, tieferen Bedeutungen der Worte „Sauschädel“, „Beidlpracker“ und „Schasaugata“ zu erfahren. Und - falls noch Fragen offen bleiben - diese Geheimwaffen der berühmten Wiener Gemütlichkeit auf dem Fussballplatz (für Feinschmecker: Hanappi-Stadion) näher studieren.
Es gäbe so viele Möglichkeiten, geheimen Wissenstransfer zu organisieren. Wie wäre es, wenn Südeuropäische Bäckerei-Innungen nachrichtendienstliche Unternehmungen ins Leben rufen, die herausfinden sollen, wie man Brot bäckt, das nicht nach zwei Tagen steinhart und trocken ist und bei der ersten Berührung zerbröselt, wie die Mumie eines Pharaos aus dem 2. Jahrtausend vor Beginn der Zeitrechnung.
Auch denkbar: amerikanische und deutsche Geheimagenten finden heraus, wie man sich im Ausland benimmt, ohne sofort unangenehm, laut und präpotent aufzufallen. Und wenn schon unbedingt Russen und Chinesen spionieren müssen, dann sollten sie doch mal vielleicht herausfinden, wie man ein Gemeinwesen demokratisch, wirtschaftlich prosperierend und einigermaßen fair organisiert. Dass sie dann nicht mehr in Österreich oder Deutschland spionieren, ist klar. Aber Norwegen und Island wären dann gute Zielländer.
Demzufolge hätte die deutsche und österreichische Spionage-Abwehr dann frei (gibt’s eigentlich eine österreichische Spionage-Abwehr? Ist zumindest der geheimste aller geheimen Dienste) und die Leute dort könnten sich auf neue Aufgaben konzentrieren: Die Aneignung des geheimen Wissens, wie man sich fortbewegen kann, ohne dabei in stinkenden Blechkisten sitzen zu müssen.
Eine Möglichkeit. Man kann natürlich auch warten, dass das Problem sich durch den Klimawandel von selbst löst. Denn wenn die Niederlande mal unter dem Meeresspiegel verschwunden sind, kommen die Niederländer von ganz allein.
Auf geheime, unbekannte Arten der Fortbewegung: Mit dem Fahrrad.
Aber: Pssst! Ist geheim!
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