Der neue Glossenhauer
Deutschland steht vor der Wahl. Vogue
Und das in Zeiten, die man getrost als „historisch interessant“ bezeichnen darf, was bekanntlich ein Fluch ist. Sowas wünscht der eine Chinese dem anderen, wenn ihm der den letzten Sitzplatz beim Volkskongress der kommunistischen Partei Chinas weggeschnappt hat. Ein seltsamer Fluch eigentlich.
Denn wenn ich einem Zeitgenossen wünsche, er möge „in historisch interessanten Zeiten“ leben, dann werde ich ja selbst auch darin leben. Das ist ja die tiefere Bedeutung des Wortes „Zeitgenosse“. Beide genießen die selbe Zeit. Der Fluch „du mögest in historisch interessanten Zeiten leben“ ergibt also nur Sinn, wenn der, der den Fluch ausspricht, die Kunst der Zeitreise beherrscht. Vielleicht ist das auch der Grund, warum er sich auf dem Parteitag der kommunistischen Partei Chinas tummelt, weil er der einzige ist, der unbemerkt wieder weg kann.
Aber Zeitreisen sind ja auch gerade en Vogue. Aber nicht en woke.
Die USA etwa reisen unter ihrem neuen Präsidenten geradewegs ins alte Rom.
Zeitliche Koordinaten: erstes Jahrhundert vor Beginn unserer Zeitrechnung.
Als die römische Republik sich in eine Diktatur verwandelte. An deren Spitze stand ein gewisser „Caesar“. Das war für große Teile der europäischen Herrscherklasse auch noch Jahrhunderte später so sexy, dass sie sich nach ihm (wie etwa „Kaiser“ oder „Zar“) benannten. Geschichtsunterricht Ende.
Wer das nicht glaubt, schaue sich Star Wars I-III an, da sieht man genau, wie der Donald Trump einen auf Imperator macht. Und auch, was er noch mit J.D. Vance vorhat. Der heißt ja schon so: Tschei Di. Das klingt schon sehr nach „Jedi“.
Ich glaube, ich bin da etwas ganz großem auf der Spur.
Dieser Vice-Vance, der Pavian von Donald… nein: Padavan, der hat jetzt in München in einer Rede den Europäer klar gemacht: Demokratie ist, wenn Faschisten jederzeit an die Macht kommen können. Auch mit Hilfe begüterter oligarchischer Freunde aus dem Ausland. Ob die jetzt Musk oder Putin heißen, ist auch egal. Ob Big Tech oder Big Oil… egal. Hauptsache: Big Money.
Es beschleicht einen das Gefühl gefangen zu sein. Gefangen in einem politikwissenschaftlichem Seminar Anfang der Neunziger, in dem ein sehr engagierter außerordentlicher Professor mit sehr viel Emphase einem an praktischem Beispiel erklärt, wie aufgrund der Kumulation von Kapital es zu Monopolbildung kommt, woraus zwangsläufig eine politische Einflussnahme resultiert, die wiederum zu undemokratischen Staatsformen - wie etwa Faschismus - führt.
Und man sitzt da und hört sich das alles an. Und hat es ja sowieso schon verstanden. Und man möchte aufstehen und rausgehen, weil man ja auch sich mit etwas positivem beschäftigen möchte. Aber das geht nicht.
Denn das Seminar ist kein Seminar, sondern die Realität.
Und deshalb steht jetzt Deutschland vor der Wahl.
Und das halbe Land spricht über psychisch gestörte Attentäter aus dem Ausland.
Und die andere Hälfte spricht über das Ausland. Nicht über die USA. Auch nicht über Russland oder Frankreich. Nein, sondern über: Österreich.
Man schaut besorgt drein in deutschen Diskussionen und warnt vor „österreichischen Verhältnissen“. Das ist sicher löblich. Aber auch verwirrend.
Denn welche „Verhältnisse“ sind gemeint?
Das Verhältnis zwischen Leistung und Unfreundlichkeit in der Gastronomie? Soll heißen: Ist es wirklich ein Zeichen guter Küche, wenn die Kellner permanent unfreundlich sind? Lächeln deshalb alle Servicekräfte in Deutschland so zwanghaft? Anders gefragt: Muss der Tafelspitz mit Rahmgemüse, Bratkartoffeln, Apfelkren und Schnittlauchsauce unbedingt mit einem Gesicht serviert werden, als hätte der Kellner Dich gerade ungelenk tanzen gesehen?
Oder sind mit den „österreichischen Verhältnisse“ doch die Beziehungen gemeint, die man mit Geschlechtsverkehrpartnern aus dem Alpenraum im Schi-Urlaub pflegt? (Der Fachmann spricht hier auch von „Gspusi“ - aber nur, wenn der Fachmann Österreichisch kann.)
Oder sind gar die politischen Verhältnisse gemeint, die man in Österreich spätestens seit dem Erscheinen von Jörg Haider auf der innenpolitischen Bühne (1986 - also vor 39 Jahren) pflegt. Nämlich den formschönen, gutgeübten, derb-demagogischen „Ausländerwahlkampf“. Ein Wahlkampf, der auch anhält, wenn gar keine Wahl ansteht, weil alles, alles, alles immer nur mit und durch und in Bezug zu dem „Ausländer“ gesehen wird. Und weil der „Ausländer“ dann an allem schuld ist, gibt es keine Sozialpolitik mehr, keine Wohnungsnot, keine Arbeitslosigkeit, keinen Ungerechtigkeit, keinen Klimawandel und schon gar keine Umverteilung… warum? Weil: Ausländer.
Und dass man mit so einer Partei, die nichts anderes als „Ausländer“ im Kopf hat, keinen Staat machen kann, sieht man ja. In Österreich.
Aber auch in den USA. Dort wird der Staat nämlich gerade umgebaut. Solche Parteien, solche „American Caesars“ machen keinen Staat, sie basteln sich nämlich ihren eigenen. Und schon wieder ist man in diesem Politikwissenschaftlichen Seminar.
Was in Deutschland droht, sind also keine österreichischen, sondern amerikanischen Verhältnisse.
Wenn’s ganz blöd kommt: russische.
Österreich dagegen ist…naja… ist halt ein bißchen unregierbar. Mei.
Dafür sind Kellner unfreundlich. Und die Gspusis lässig.
Also jetzt: bitte wählen gehen.
Was anständiges. Was die Demokratie stärkt.
Denn wer will sich schon wiederfinden in „historisch interessanten Zeiten“?
Verhältniswahl
17. Jänner 2025Deutschland steht vor der Wahl. Vogue
Und das in Zeiten, die man getrost als „historisch interessant“ bezeichnen darf, was bekanntlich ein Fluch ist. Sowas wünscht der eine Chinese dem anderen, wenn ihm der den letzten Sitzplatz beim Volkskongress der kommunistischen Partei Chinas weggeschnappt hat. Ein seltsamer Fluch eigentlich.
Denn wenn ich einem Zeitgenossen wünsche, er möge „in historisch interessanten Zeiten“ leben, dann werde ich ja selbst auch darin leben. Das ist ja die tiefere Bedeutung des Wortes „Zeitgenosse“. Beide genießen die selbe Zeit. Der Fluch „du mögest in historisch interessanten Zeiten leben“ ergibt also nur Sinn, wenn der, der den Fluch ausspricht, die Kunst der Zeitreise beherrscht. Vielleicht ist das auch der Grund, warum er sich auf dem Parteitag der kommunistischen Partei Chinas tummelt, weil er der einzige ist, der unbemerkt wieder weg kann.
Aber Zeitreisen sind ja auch gerade en Vogue. Aber nicht en woke.
Die USA etwa reisen unter ihrem neuen Präsidenten geradewegs ins alte Rom.
Zeitliche Koordinaten: erstes Jahrhundert vor Beginn unserer Zeitrechnung.
Als die römische Republik sich in eine Diktatur verwandelte. An deren Spitze stand ein gewisser „Caesar“. Das war für große Teile der europäischen Herrscherklasse auch noch Jahrhunderte später so sexy, dass sie sich nach ihm (wie etwa „Kaiser“ oder „Zar“) benannten. Geschichtsunterricht Ende.
Wer das nicht glaubt, schaue sich Star Wars I-III an, da sieht man genau, wie der Donald Trump einen auf Imperator macht. Und auch, was er noch mit J.D. Vance vorhat. Der heißt ja schon so: Tschei Di. Das klingt schon sehr nach „Jedi“.
Ich glaube, ich bin da etwas ganz großem auf der Spur.
Dieser Vice-Vance, der Pavian von Donald… nein: Padavan, der hat jetzt in München in einer Rede den Europäer klar gemacht: Demokratie ist, wenn Faschisten jederzeit an die Macht kommen können. Auch mit Hilfe begüterter oligarchischer Freunde aus dem Ausland. Ob die jetzt Musk oder Putin heißen, ist auch egal. Ob Big Tech oder Big Oil… egal. Hauptsache: Big Money.
Es beschleicht einen das Gefühl gefangen zu sein. Gefangen in einem politikwissenschaftlichem Seminar Anfang der Neunziger, in dem ein sehr engagierter außerordentlicher Professor mit sehr viel Emphase einem an praktischem Beispiel erklärt, wie aufgrund der Kumulation von Kapital es zu Monopolbildung kommt, woraus zwangsläufig eine politische Einflussnahme resultiert, die wiederum zu undemokratischen Staatsformen - wie etwa Faschismus - führt.
Und man sitzt da und hört sich das alles an. Und hat es ja sowieso schon verstanden. Und man möchte aufstehen und rausgehen, weil man ja auch sich mit etwas positivem beschäftigen möchte. Aber das geht nicht.
Denn das Seminar ist kein Seminar, sondern die Realität.
Und deshalb steht jetzt Deutschland vor der Wahl.
Und das halbe Land spricht über psychisch gestörte Attentäter aus dem Ausland.
Und die andere Hälfte spricht über das Ausland. Nicht über die USA. Auch nicht über Russland oder Frankreich. Nein, sondern über: Österreich.
Man schaut besorgt drein in deutschen Diskussionen und warnt vor „österreichischen Verhältnissen“. Das ist sicher löblich. Aber auch verwirrend.
Denn welche „Verhältnisse“ sind gemeint?
Das Verhältnis zwischen Leistung und Unfreundlichkeit in der Gastronomie? Soll heißen: Ist es wirklich ein Zeichen guter Küche, wenn die Kellner permanent unfreundlich sind? Lächeln deshalb alle Servicekräfte in Deutschland so zwanghaft? Anders gefragt: Muss der Tafelspitz mit Rahmgemüse, Bratkartoffeln, Apfelkren und Schnittlauchsauce unbedingt mit einem Gesicht serviert werden, als hätte der Kellner Dich gerade ungelenk tanzen gesehen?
Oder sind mit den „österreichischen Verhältnisse“ doch die Beziehungen gemeint, die man mit Geschlechtsverkehrpartnern aus dem Alpenraum im Schi-Urlaub pflegt? (Der Fachmann spricht hier auch von „Gspusi“ - aber nur, wenn der Fachmann Österreichisch kann.)
Oder sind gar die politischen Verhältnisse gemeint, die man in Österreich spätestens seit dem Erscheinen von Jörg Haider auf der innenpolitischen Bühne (1986 - also vor 39 Jahren) pflegt. Nämlich den formschönen, gutgeübten, derb-demagogischen „Ausländerwahlkampf“. Ein Wahlkampf, der auch anhält, wenn gar keine Wahl ansteht, weil alles, alles, alles immer nur mit und durch und in Bezug zu dem „Ausländer“ gesehen wird. Und weil der „Ausländer“ dann an allem schuld ist, gibt es keine Sozialpolitik mehr, keine Wohnungsnot, keine Arbeitslosigkeit, keinen Ungerechtigkeit, keinen Klimawandel und schon gar keine Umverteilung… warum? Weil: Ausländer.
Und dass man mit so einer Partei, die nichts anderes als „Ausländer“ im Kopf hat, keinen Staat machen kann, sieht man ja. In Österreich.
Aber auch in den USA. Dort wird der Staat nämlich gerade umgebaut. Solche Parteien, solche „American Caesars“ machen keinen Staat, sie basteln sich nämlich ihren eigenen. Und schon wieder ist man in diesem Politikwissenschaftlichen Seminar.
Was in Deutschland droht, sind also keine österreichischen, sondern amerikanischen Verhältnisse.
Wenn’s ganz blöd kommt: russische.
Österreich dagegen ist…naja… ist halt ein bißchen unregierbar. Mei.
Dafür sind Kellner unfreundlich. Und die Gspusis lässig.
Also jetzt: bitte wählen gehen.
Was anständiges. Was die Demokratie stärkt.
Denn wer will sich schon wiederfinden in „historisch interessanten Zeiten“?
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