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Groebners neuer Glossenhauer
Der neue Glossenhauer

Euphorie und Europhobie

05. Mai 2024

Dieser Mai! Immer voller Feiertage. Christi Himmelfahrt, Muttertag, Pfingsten, Fronleichnam. Und dann kommt auch noch der Eurovision-Song-Contest!
Man kommt ja gar nicht zum Arbeiten.

Denn ich bin noch völlig erledigt von den Feiern am ersten Mai.
Also einerseits natürlich vom Tag der Arbeit und so. Dann muß man immer marschieren, dann Bier trinken im Grünen, solidarisch anstoßen und mit einem „Hinein zum ersten Mai!“ austrinken.

Und dieses Jahr obendrein auch noch der Jahrestag: 20 Jahre EU-Osterweiterung.
Das musste gefeiert werden. Seit 20 Jahren sind Deutschland und Österreich nur mehr von befreundeten EU Staaten umgeben. Also, wenn man die Schweiz weg lässt. (Und bei Österreich auch noch Liechtenstein. ) Aber diese staatsgewordenen Steuerparadiese und Schwarzgeldlöcher sind ja im Kapitalismus keine Bedrohung. Sondern eine Bereicherung. Also im Sinne von: für die Reichen da.

Die neuen EU-Staaten aber konnten allen etwas geben: Absatzmärkte für die Firmen, Kunden für die Banken, billige Arbeitskräfte für die alten EU-Staaten und jede Menge Jobs für Dolmetscher und Sprachstudenten. Eine große Freude.

Vor allem für Österreicher, wie mich. Schließlich sind wir erstmals seit dem Zerfall der Donaumonarchie mit Slowenen, Polen, Slowaken und Ungarn in einem Bund souveräner Staaten wieder vereint. Und das ohne dekadenten Kaiser - völlig verrückt!
Wäre man im 19. Jahrhundert schon draufgekommen, daß das geht… das ganze 20. Jahrhundert hätte anders ausgesehen.

Was aber für Österreicher die rührenden Heimkehr der alten Kronländer ist, das ist für die neuen Mitglieder teilweise etwas ganz anderes. Nämlich die Berechtigung zur Benutzung des Geldautomats in Brüssel. Viktor Orban zum Beispiel liebt die EU! Denn ohne Brüssel hätte er ein Feindbild weniger. Noch dazu ein Feindbild, das er auch noch melken kann. Politisch gesehen: die eierlegende Wollmilchsau. Oder eher der Milch-spendende Beelzebub.

Obwohl Lebensmittel gerade schwierig sind für den Orban-Vickerl. Nicht, weil der immer dicker und dicker wird, sondern weil die deutsche „Lebensmittelzeitung“ etwas berichtet hat. Nämlich, daß der Lebensmittelhandelskonzern Spar seine Vermögenswerte von Ungarn aus in die Schweiz verlagern will. Denn Orban möchte, daß ein Verwandter von ihm am Konzern beteiligt werden soll. Der Vorstandschef von Spar wird zitiert mit den Worten: „Im Grunde will die Regierung unser Unternehmen durch eine Beteiligung in ihren Besitz bekommen.“ Jetzt will die ungarische Regierung Spar wegen Verleumdung verklagen und auch diverse Medien, die die Geschichte gebracht haben.

Kurz gesagt: Viktor Orban hat versucht, sich den Spar zu krallen. Und weiß sichtlich nicht, was der Streisand-Effekt ist. Nämlich, daß jetzt alle berichten werden, daß Viktor Orban versucht hat, sich den Spar zu krallen.
Zumindest im Ausland.

Denn Ungarn selbst ist nicht mehr so voller, freier Presse. Im Ranking der „Reporter ohne Grenzen“ liegt das Land der alten Budapestbeule auf dem 85. Platz. Damit knapp vor Bulgarien (91.) und Vorletzter in der EU.
Ist ja immer gut, dass man wen hat, auf den man runter schauen kann. Oder wo man sagen kann: „Da ist es noch schlimmer!“ - und dann fährt man auf Urlaub hin.

Insofern schön für Österreich, daß Italien mit seiner Post-Faschistischen (das sind Faschisten, die Briefe schreiben, glaub ich) Ministerpräsidentin den 58. Platz belegt.
Österreich liegt auf Platz 31 davor. Ha! Glück gehabt. Aber leider hinter Osttimor, Namibia, Trinidad und Tobago, Argentinien und der Dominikanischen Republik.
Aber trotzdem gut…. für Deutschland.

Das ist zwar abgerutscht auf den 16. Platz, aber immer noch vor Österreich. Und nach Österreich fährt man ja von Deutschland aus gerne auf Urlaub. Allerdings liegt die Bundesrepublik hinter Costa Rica (8. Platz), Jamaika (12.) und den Seychellen (13.), wo man auch schön urlauben kann. Die Faustregel scheint zu sein: Wenn Dein Urlaubsland vor dir in der Weltrangliste der Pressefreiheit liegt - hast Du ein Problem.

Daher nicht weiter verwunderlich, daß die Liste von Norwegen (1.), Dänemark (2.) und Schweden (3.) angeführt wird. Dort Urlaub zu machen, kann sich keine Sau leisten.
Aber wer braucht eigentlich eine freie, kritische Presse in der EU?

Wo doch die EU alles richtig macht. Vor allem in der Migrationspolitik. Hat man gerade wieder gesehen bei dem „Deal“ mit dem Libanon. Ein kleines Land, das am zusammenbrechen ist und voller Flüchtlinge aus Syrien, weil da nebenan seit über 10 Jahren Bürgerkrieg herrscht und die EU macht was? Sie tut das, was sie am Besten kann. Sie buttert in ein korrupte Clique, die den Libanon an die Wand gefahren hat, noch mehr Geld. Spitzenidee! Das wird ganz bestimmt klappen. Funktioniert ja auch schon mit Tunesien und Libyen so gut. Bravo!

Schlauer ist da nur noch - natürlich - der österreichische Bundeskanzler. Der möchte Angesichts der Probleme, die - vor allem Wiener - Schulen und der Wohnungsmarkt mit dem Nachzug von Familienangehörigen haben, was tun? Na? Mehr Personal den Schulen zur Verfügung stellen? Mehr Wohnungen? Mehr Sozialarbeiter? Geförderter Ausbau von Schulen?

Nein! Das könnte ja allen zugute kommen, das wäre ja ein konstruktiver Ansatz, eine Idee ein Problem zu lösen… ha! Sowas macht man doch nicht, wenn man Angst vor den Rassisten von der FPÖ hat. Da muß man zeigen, dass man genauso primitiv sein kann und fordert: Mehr Kontrollen. Mehr pauschale Verdächtigungen, die er - nobel wie der österreichische Bundeskanzler nun mal ist - „Zweifel“ nennt. Mehr Vorurteile schüren.
Super Idee! Das ist die europäische Politik des 21. Jahrhunderts: visionär und nachhaltig. Bestechungsgelder an korrupte Machthaber zahlen und nach unten auf die Armen treten. Man ist ehrlich erstaunt über soviel Weitsicht, Menschlichkeit und Kompetenz.
Nach der Ost-Erweiterung gibt’s jetzt die Hirn-Verkleinerung.

Typisch, daß in der EU parallel dazu die Meinungsfreiheit langsam an die Wand gefahren wird. Wäre es doch gerade jetzt notwendig, dass der demokratische Diskurs ermöglicht wird, daß Gedankengut ausgetauscht werden kann. Wobei ein Blick in die sozialen Medien zeigt: Es handelt sich immer öfter nicht um Gedankengut, sondern eher um Gedankenschlecht. Teilweise sogar Gedankenbös.
Aber stopp: Kopf hoch!

Macht alles nichts, denn schließlich ist Mai. Und damit naht das wichtigste europäische Ereignis: Eurovision-Song-Contest. Yeah!

Dann kann man sich ganz herrlich über Kostüme und Lieder und Präsentationen aufregen, sich darüber lustig machen und sich ganz intensiv mit diesem überflüssigen Herumquäken auf offener Bühne auseinander setzen. Damit man sich nicht darum kümmern muss, was wirklich wichtig wäre.
Voten statt Wählen. Das ist Europa!
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