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Bild Groebner mit Bleistift im Mund
Der neue Glossenhauer

Der Gipfel der Ermüdung

Wie groß ist der Unterschied zwischen ESC und Innenpolitik? Nicht sehr.
12. Mai 2023

Es ist ein alter Spruch: "Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründ’ ich einen Arbeitskreis." Wie alt dieser Spruch wirklich ist, merkt man am Verhalten der Bundesregierung. Die hat doch tatsächlich seit ihrem Antritt im Dezember 2019 mit solchen Kinkerlitzchen wie Arbeitskreisen überhaupt nicht herum geschlagen. Denn diese Bundesregierung ist neu, innovativ und verbindet aufs Eleganteste die Reste, die weiterwurschtelten. Deshalb macht sie keine Kreise, auch keine Ovale oder Sitzungen in Form eines Eis, sondern Gipfel.

Auf Twitter (leider hab ich mir die Quelle nicht notiert, bitte um Verzeihung) hat Euer Glossenhauer folgende Zusammenstellung gefunden, die ich ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder auch nur Wahrheit wiedergeben möchte:
  • 10. März 2020 - Zivildienstgipfel
  • 17. Juli 2020 - Tierschutzgipfel;
  • 23. November 2020 - Gewaltschutzgipfel
  • 6. Jänner 2021 - Luftfahrtgipfel
  • 26. Februar 2021 - Sportgipfel
  • 5. März 2021 - Breitbandgipfel
  • 10. September 2021 - Inklusionsgipfel
  • 23. November 2021 - 2. Gewaltschutzgipfel
  • 23. Jänner 2022 - Energiegipfel
  • 23. März 2022 - Energiepreisgipfel
  • 7. April 2022 - Jobgipfel
  • 25. April 2022 - Anerkennungsgipfel
  • 9. Mai 2022 - Kinderschutzgipfel
  • 22. Juli 2022 - Gasinfrastrukturgipfel
  • 6. Dezember 2022 - Gewaltschutzgipfel (Nummer drei)
  • 19. April 2023 - Autogipfel
  • 3. Mai 2023 - Ehrenamtsgipfel
  • 8. Mai 2023 - Lebensmittelgipfel

Hier fehlen womöglich noch ein paar Gipfelereignisse, und alle Corona-Krisengipfel sind schon rausgerechnet. Es zeigt aber doch ein deutliches Bild, aus dem man eindeutige Schlüsse ziehen kann: Lieblingsmonate für Gipfelbesteigungen der Regierung sind März, April und Mai, das wahrscheinlichste Datum für einen Gipfel ist der 23. des Monats und das Lieblingsthema ist Gewaltschutz. Zu Recht, wenn man berücksichtigt, dass in diesem schönen von Gebirgen durchzogenen Land im Schnitt jeden dritten Tag eine Frau ermordet wird. Und Mord ist in diesem Fall nur der Gipfel des Eisbergs der Gewalttaten.

Und all das zeigt auch: In der Mediendemokratie austriakischen Zuschnitts braucht es nicht nur Milliarden, die man mittels Anzeigen in Boulevardmedien pumpt, um diese künstlich am Leben zu erhalten, nein, es braucht unglaublich wichtige Politereignisse, über die dann eben diese Boulevardmedien berichten können. Da reicht keine Pressekonferenz oder gar das Pressefoyer nach dem Ministerrat. Da mus schon etwas mehr Inszenierung her. Pauken und Trompeten und PR-Berater. Content, Oida!

Schließlich will man neben den medialen Bordsteinschwalben auch die "jungen Leute" erreichen und da braucht es Videos, Social-Media-Events, den besten politischen 30-Sekünder, um die Menschen "für Politik zu begeistern".

Das Publikum ist aber zusehends eher ent- statt begeistert. Schließlich haben Tage in der Politik auch nur 24 Stunden, geschlafen werden muss auch und da ist es dann auch nicht verwunderlich, wenn bei all den schönen Bildern und Inszenierungen der Inhalt (von der Umsetzung ganz zu schweigen) ein bisschen auf der Strecke bleibt. Die Wählerschaft ist ermüdet. Polsterzipfel statt Politikgipfel.

Dann lieber Eurovision Song Contest: Auch nervig, überkandidelt und voll hohlen Pathos - aber wenigstens geht’s um nix.




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