Severin Groebners Newsletter
Groebners neuer Glossenhauer
Der neue Glossenhauer

Zum Vergessen

8.September 2025

Die Zeit, in der wir leben, wurde endlich in ein Lied gegossen.
Und dieser neue Song heißt „Back to forgetting“ und ist die neue Nummer vom ESC-Gewinner…äh… Dings.
Na, der… der, was so hoch singen kann… der….äh… Ihr wisst schon.

Ein großartiges Lied. Unter anderem, weil es eine extrem realistische Einschätzung der eigenen Karriere-Optionen darstellt. Natürlich nicht wegen dem Vergessen, nein, wir alle wissen doch noch, wie der ESC-Sieger vom Jahr 2021 hieß… oder? Oder vom Jahr 2015? Oder 2011? Die sind heute alle heute Megastars im Business.
Nur in welchem Business weiß man leider nicht.

Aber das Lied ist großartig. Denn der Titel „Back to forgetting“ fängt mit „B“ an.
B wie Back. Aber auch B wie B-Promi. Denn das ist wahrscheinlich auch das Fach, in dem der … Dings… reüssieren wird…. der…der Jojo… nein, so ähnlich… der Tschiutschitsu, also der Countertenor, der so eine Begeisterung entfacht hat, wie kaum jemand seit Contscheitschei Wurscht! Übrigens auch ein Künstlername mit prognostischen Nebenwirkungen.
Denn das PopBusiness hat schon längst die Andy Warhol These vom 15-Minuten-Ruhm in die Praxis umgesetzt. Und überholt. Denn Andy Warhol hat sich mindestens um das sechzigfache vertan. Bei TikTok sind es 15 Sekunden.

Aber egal, der ESC kommt jetzt nach Wien und alle sind glücklich darüber.
Ob sie wollen oder nicht. Schließlich ist der ESC wirklich das Event, das in Sachen Lästigkeit, Lautstärke und Langeweile nur von der Fussball-WM der Männer übertroffen wird. Brüllende Irrelevanz, um sich nicht mit wichtigen Dingen zu beschäftigen.
Back to Forgetting eben.

Dabei wird ja gerade in Österreich gerne der Gegensatz zwischen ESC und Volksdummmusik à la Gabalier aufgemacht. Für mich ist das ungefähr wie die Auswahl zwischen Nagellackentferner und Morgenurin als Begrüßungsgetränk auf der Dinner-Party.
Was hätten Sie denn gern: Nervigen Lärm oder lärmende Nervigkeit?
Bitte versteht mich richtig falsch:
Ich gehe auf die Straße dafür, dass man das alles hören darf. Aber ich geh auch auf die Straße dafür, dass man das alles nicht hören muss.
Also: Back to forgetting.

Obendrein gibt es vieles, was man zur Zeit vergessen möchte. Einen US-Präsident etwa, der den Niedergang des amerikanischen Imperiums im Zeitraffer und vor den Augen der Weltöffentlichkeit vollführt, daß man glaubt, er wäre nicht gelernter Erbe eines Bauunternehmens, sondern Besitzer einer Abriss-Firma. Dieser Präsident lässt jetzt das US-Verteidigungsministerium, aka „Department of Defense“, in Kriegsministerium umbenennen. Mit der Begründung: „Defense“ wäre ihm zu defensiv.

Insofern darf man sich auf neue Namen auch für andere Ministerien freuen.
Das „Office for Science and Technology Policy“ wird wahrscheinlich - da ja „Science“ viel zu wissenschaftlich klingt - umbenannt in „Order of Scientology and Tech-Bros“.
Und das „Department of Health an Human Services“ von Robert Kennedy Jr. kriegt den schönen neuen Namen „Departement of Wealth and Conspiracy-Theory“ Der Minister bleibt freilich im Amt. Nur sein Vater soll dabei gesehen worden sein, wie er aus dem Grab gestiegen ist, um sich - angesichts der Politik seines Sohnes - gleich nochmal selbst zu erschiessen.

Und natürlich bekommt auch die CIA - die Central Intelligence Agency - eine neue Bezeichnung: „Group of radical Unintelligence“- GRU. Womit einerseits die komplette Politik des weißen Hauses beschrieben wäre, andererseits der amerikanische Auslandsgeheimdienst lustigerweise genauso heißt, wie der russische. Ein US-Präsident, wer dabei was Böses denkt.

Aber es gibt ja noch andere Amerikaner. Und Amerikanerinnen. Südliche.
Und mit denen möchte die EU ein Freihandelsabkommen abschließen. Das möchten die wirklich. Immerhin haben die jetzt schon 25 Jahre verhandelt. Der Spruch: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet“ wurde hier umgedreht zu: „Wer sich bindet, ewig prüfe.“
Aber jetzt ist das Abkommen fertig.
Und wie wichtig geregelter Freihandel ist, sieht man an einer anderen Geschichte, die gerade in den Schlagzeilen war und den Handel zwischen Südamerika und Europa zum Thema hatte.

Denn ein Gemälde mit Nazi-Raubkunst-Vergangenheit ist in Argentinien aufgetaucht. Ein Gemälde, das seinen Weg über einen SS-Mann, der als Görings „Rechte Hand“ bezeichnet wurde (er war wahrscheinlich größtenteils seines Berufslebens ausgestreckt), von Holland nach Buenos Aires gefunden hat. Vielleicht gemeinsam mit Nagetieren, die dieser Verkehrs-Linie den Namen gegeben haben.

Merke: Freihandel gibt es immer. Während der Nazi-Diktatur allerdings ohne die vorherigen Besitzer zu fragen, ob sie handeln wollen. Das sind die Weltwirtschaftsvorstellungen der extremen Rechten. Deshalb reden die ja auch gerne von Freiheit. Nämlich von der eigenen. Weshalb sie ja auch finden, dass sie selbst extrem viele Rechte haben sollten.

Freiheit gibt es dagegen im Internet.
Ja, kein Witz, das freie Internet es existiert… noch. Nur leider ist es schlecht besucht. Da der größte Teil des „Traffic“ nämlich über die sozialen Netzwerke der Techgiganten läuft. Die haben ja bald ihr eigenes Department in der US-Regierung, weil sie - extrem sozial - nur ganz wenigen Milliardären gehören, die beim US Präsident auf dem Schoß sitzen.
Nein, nicht alle. Der Chef von TikTok hängt am Rockzipfel von Xi Jinping.

Die Freiheit im Internet gibt es allerdings nach wie vor. Auf Webseiten, in Blogs und in Newslettern wie diesem.
(Den man sogar unterstützen kann - siehe unten).
Kurz gesagt: „Stell Dir vor es ist Freiheit und keiner geht hin.“

Wer also frustriert ist über den Zustand der Welt, sollte mal seine Startseite überprüfen.
Oder drei Tage keine sozialen Medien nutzen. Vielleicht sogar ein Buch lesen. Oder gar meine Vorstellungen besuchen (siehe unten).
Die Wirkung könnte phänomenal sein.

Man kann natürlich auch zur Alternative greifen, also: Back to forgetting.
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